Dr. Max Wolf

jüdischer Tierarzt

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Dr. Max Wolf

Dr. Max Wolf wurde am 21. März 1890 in Neuwied als Sohn des Kaufmanns Salomon Wolf und Berta Wolf, geb. Spatz, geboren. 1912 promovierte er in Stuttgart und erhielt im selben Jahr seine Approbation. Vom 2.8.1914 bis 31.3.1919 war er Soldat, danach Oberveterinär der Reserve. Er praktizierte ab 1919 als Tierarzt in Horb am Neckar. Von 1920 bis 1933 war er Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei.

Nach diversen Tätigkeiten als Sachverständiger und als Tierarzt zwischen 1923 und 1929, zuletzt als Städtischer Veterinärrat in Stuttgart, wurde er am 21.3.1933 durch Oberveterinärrat Dr. Max Seitter "beurlaubt". Sturmbannführer Bönig hatte gegenüber Seitter angekündigt, SA-Leute würden Wolf am 23.3.1933 am Betreten des Schlachthofes hindern; Wolf kam der dienstlichen Anordnung der Beurlaubung nach.

Am 27.3.1933 wird Wolf vom Steuerberater August Bönig angezeigt: Er sei Mitlglied einer kommunistischen Intelektuellengruppe und führe dauernd eine Waffe mit sich. Er habe gesagt: "Wenn sie mich aus dem Schlachthof treiben, werde ich alle niederschießen". In einer Stellungnahme vom 20.4.1933 macht Wolf folgende Aussagen: Er habe seit 1915 eine belgische Selbstladepistole (Kal. 6,35 mm) und sei dauernd im Besitz eines Waffenscheines. Er brauche die Waffe zu dienstlichen Zwecken (Erschießung von Hunden und Katzen). Er sei kein Mitglied einer kommunistischen Partei oder Gruppierung. Seine angeblichen Äußerungen sei eine Denunziation. Er habe  so eine Äußerung nie gemacht. Die Waffe wurde ihm abgenommen.

Ab 22.4.1933 wurde er nur noch auf Bestellung zur Fleischbeschau angefordert, da die Stuttgarter Fleischerinnung sich am 13.4.1933 beschwert hatte, die Visitiation durch Max Wolf sei nicht mehr erwünscht.

Am 27.4.1933 wird Wolf durch Kriminalkommissar Wäger für einen Tag in Schutzhaft genommen, da eine bedrohliche Situation gegen ihn seitens Gewerbetreibender aufgekommen sei. Am 7.3.1933 wurde Wolf zum 10.1.1934 gekündigt. Er erklärte hierzu:

"Ich bitte, dass die Gewerbetreibenden, die Beschwerden gegen mich vorzubringen haben, diese im einzelnen darlegen, damit alles untersucht werden kann. Ich bin überzeugt, dass sich alsdann sofort ergibt, dass die Beschwerden ungerechtfertigt sind. Die Beschwerden kommen nur daher, dass ich verpflichtet bin, tiergesundheitspolizeiliche Vorschriften gegen die Metzger und Händler durchzuführen. Es sind übrigens nur ganz wenige, die sich gegen meine dienstliche Geschäftsführung auslassen. Weitaus die meisten Metzger und Händler haben nichts gegen mich einzuwenden. Ich bitte, über die ganze Angelegenheit noch die Vorstände der Metzgerinnung zu hören."

 Am 7.8.1933 erfolgte die offizielle Wiederaufnahme des Dienstes mit der Einschränkung, keine Geschäfte mehr zu visitieren. Auszug aus der Süd- und Mitteldeutschen Fleischerzeitung Nr. 55 v. 15.7.1933:

"An sämtliche Metzgermeister von Gross-Stuttgart!
Auf Grund seiner Frontkämpfertätigkeit wird Veterinärrat Dr. Max Wolf in nächster Zeit seinen Dienst im Stuttgarter Schlachthof wieder aufnehmen. Vom Kontrolldienst in den Metzgerbetrieben wird Dr. Wolf jedoch befreit werden. Dieser Dienst wird von den übrigen Herren Tierärzten versehen. Ich erwarte dass Störungen oder gar Kränkungen irgendwelcher Art von unserer Stelle nicht vorkommen. Ich warne vor direkten oder indirekten Umtrieben gegen die Verordnung des Bürgermeisteramts.
Stuttgarter Fleischerinnung (gez. Karl Bayer, Obermeister. Stuttgart, den 13. Juli 1933.)"

Aus der Petition der Direktion des Städt. Stuttgarter Vieh- und Schlachthofs:

"...  An der Dienstführung des Dr. Wolf ist von hier nichts auszusetzen. Er ist fleißig, pünktlich und gewissenhaft. Auch das Zusammenarbeiten mit den Gewerbetreibenden hat, wohl mit unter dem Einfluß der in Abschrift angeschlossenen Warnung des Innungsobermeisters vom 13.Juli ds Js., zu berechtigten Anständen und zu begründeten Aussetzungen nicht geführt. Wenn in  einigen wenigen, an sich belanglosen Fällen von einzelnen Gewerbetreibenden versucht worden ist, Dr. Wolf etwas anzuhängen, so ist einmal zu sagen, dass diese Gewerbetreibenden in den mir bekannt gewordenen Fälllen im Unrecht waren, dann dass jeder gewissenhafte Beamte des Vieh-und Schlachhofs, bedingt durch die Art des Dienstes und durch die häufig notwendigen Eingriffe in das Eigentum von Gewerbetreibenden, derartigen Angriffen in mehr oder weniger heftigem Grad fast täglich ausgesetzt ist und dass leider nicht selten durch Beleidigungen und sonstigen heftigen Angriffe gegen Beamte versucht wird, diese von der Erfüllung ihrer Dienstpflichten abzuhalten. Weder die Dienstführung und die Arbeitsleistungen von Dr. Wolf noch berechtigte und begründete Störungen im Zusammenarbeiten desselben mit den Gewerbetreibenden stehen m. E. einer Verlängerung des Dienstverhältnisses mit Dr. Wolf hindernd im Wege. gez. Schneider".

Daraufhin erfolgte am 23.12.1933 die Rücknahme der Kündigung aufgrund der obigen Petition des Direktors des städtischen Vieh- und Schlachthofs, Veterinärdirektor Gotthold Schneider, an das Bürgermeisteramt.

Obwohl Max Wolf 1935 das Ehrenkreuz für Frontkämpfer erhielt, wurde er am 9.10.1935 mit sofortiger Wirkung beurlaubt aufgrund der Anordnung des Innenministeriums vom 30.9.1935, nach der alle jüdischen Beamten zu beurlauben seien.  Ab 1.1.1936 erfolgte seine Versetzung in den Ruhestand aufgrund der ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz § 4 (2). Als Frontkämpfer erhielt er ein Ruhegehalt, bezogen auf die letzten Dienstbezüge. Wolf stellte bald darauf einen Antrag auf Belassung im Amt; trotz Tierärztemangel und Petition seitens der Schlachthofdirektion wurde dieser am 19.5.1936 abgelehnt.

Max Wolf wurde nun Kassierer im Stuttgarter Ortsverein des Reichsbund jüdischer Frontsoldaten. Am 11. November 1938 wurde er verhaftet und bis zum 11. Dezember 1938 im KZ Dachau unter der Nummer 23 100 registriert. Am 15.4.1939 gelang ihm die Ausreise in die Schweiz (seine "arische" Frau folgte im August 1939); von dort floh er im Dezember 1940 nach Lissabon und kam am 8.2.1941 in Montevideo / Uruquay an.

Dr. Max Wolf im Exil

Dort in Uruquay wurde ihm die Approbation verweigert. Er hätte seine Examina in einem anderen südamerikanischen Staat erneut ablegen müssen. In seiner Abwesenheit wurde in Nazi-Deutschland folgendes beschlossen: 1941 wurde Max Wolf die Staatsbürgerschaft gemäß zweiter Verordnung zum Reichsbürgergesetz aberkannt; seine Versorgungsansprüche verloschen. Von 1945 - 1960 übte er eine ehrenamtliche Tätigkeit als "Colaborator Técnico Docente" an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Montevideo aus.

Seine Bitte um Wiedereinstellung am Stuttgarter Schlachthof vom 21.3.1946 wurde verschleppt oder gar nicht bearbeitet. Insgesamt sechs Jahre wartete Wolf auf seine Wiedereinstellung. Der Beschluss des Gemeinderates der Stadt Stuttgart vom 4.7.1947, ihn mit Wirkung vom 1.6.1945 im Ruhestand zu belassen, erreichte ihn erst 1952. Obwohl also das Interesse als auch der berechtigte Anspruch auf Wiedereinstellung bestand, und nachweislich mehrere Stellen neu besetzt wurden, fand Dr. Wolf keine Berücksichtigung.

Ab 1.5.1945 erfolgte jedoch die Fortzahlung des Ruhegehalts und 1952 erhielt er eine Entschädigung für die Zeit vom 1.1.1936 bis 31.5.1945 von 7.326 DM.

Die Rehabilitation

Stuttgarter Nachrichten v. 5.11.1962
Stuttgarter Nachrichten v. 5.11.1962

Am 16.3.1960 wurde Dr. Max Wolf durch den Dekan der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Montevideo anlässlich der Immatrikulationsfeier "als ein- und erstmalig einem Veterinär seitens der Fakultät erteilte Ehrung für langjährige geleistete wertvolle Dienste" zugesprochen.

Im Herbst 1962 folgte die Erneuerung der Doktorwürde durch die Tierärztliche Hochschule Hannover. Der Vorgang ist nicht aktenkundig; Prof. Dr. Wilhelm Schulze, damals Direktor der Klinik für kleine Klauentiere, erinnert sich jedoch an einen solchen. Offenbar wurde die  neue  Promotionsurkunde im Oktober oder November 1962 durch den Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Montevideo überreicht.

Dr. Max Wolf starb am 8.9.1963 in Montevideo.

 


 

Quellen / Weiterführendes:

KZ-Gedenkstätte Dachau

ITS Arolsen 101/048

Nationales Archiv NARA, Washington D.C. / USA

Maria Zelzer: "Weg und Schicksal der Stuttgarter Juden", Stuttgart 1964

LHAKo-Rommersdorf Geburtsurkunde Bestand 630,004, Nr. 17

Georg Möllers: "Jüdische Tierärzte in der Zeit von 1918 - 1945, Hannover 2002

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