Carl Einstein

Romancier, Kunstkritiker, Essayist

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Carl Einstein
Quelle: Portal Rheinische Geschichte - LVR

Carl Einstein wurde als Sohn von Sophie und Daniel Einstein am 26. April 1885 in der Friedrichstraße in Neuwied geboren. Sein Vater war Prediger der hiesigen jüdischen Gemeinde und ab 1888 Direktor des israelischen Lehrerseminars. Im Gegensatz zu anderen berühmten und bedeutenden Bürgern unserer Stadt scheint Carl Einstein in Neuwied fast völlig in Vergessenheit geraten zu sein, obwohl er als Romancier, Kunstkritiker und Essayist das Europa der 20er und 30er mitprägte.

Bedeutende literarische Werke

Die Familie seiner Eltern siedelte nach Karlsruhe über. Nach Abitur, das von manchen Biographen in Frage gestellt wird, und abgebrochener Banklehre studierte er im Wintersemester 1904/05 (als Gasthörer?) in Berlin Kunstgeschichte, Geschichte und Altphilologie. 1908 brach er das Studium ab und schrieb theoretische und literarische Texte, u.a. den aufseheneregenden Roman „Bebuquin oder die Dilettanten des Wunders“. Sein Werk "Negerplastik“ von 1905 war das erste grundlegende Werk zur Kunst Afrikas. Zudem widmete er sich dem Kubismus und war u.a. mit Georges Braque und Picasso gut bekannt. Er schätzte auch surrealistische Künstler wie etwa Paul Klee, Hans Arp und Joan Miró.

Politische Konfrontation und Rückzug ins Private

1914 meldete Einstein sich als Kriegsfreiwilliger. 1916 verwundet, wurde er zur Zivilkommandostelle des Generalgouvernements Brüssel (Abteilung Kolonien) versetzt, verkehrte dort mit Gottfried Benn, Otto Flake und Hermann Kasack. 1918 engagierte er sich politisch im Brüsseler Soldatenrat und bezeichnete sich als Kommunist. Nachdem er nach Berlin zurückgekehrt war, wurde er am 15. Januar 1919, am Tag der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, verhaftet, aber kurz danach wieder freigelassen. Mit George Grosz gab er ein Satiremagazin heraus, das sich gegen die rechte Restauration im Nachkriegsdeutschland richtete. Mit dem unangepassten Drama „Die schlimme Botschaft“ kritisierte er 1921 die etablierten Kirchen, die bürgerliche Gesellschaft, aber auch das Judentum und löste einen Skandal aus, in dessen Gefolge er wegen Blasphemie zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Er zog sich aus der politischen Auseinandersetzung zurück und verfasste mit „Die Kunst des 20. Jahrhunderts“ ein weiteres epochales Werk. 1928 zog er endgültig nach Paris.

Verzweiflung und Depression

Ab dem Sommer 1936 nahm er am spanischen Bürgerkrieg gegen Franco teil und schloss sich der Grupo International als Mitglied der Colonna Durruti an der Aragon-Front an. 1939 floh Einstein nach dem Sieg Francos nach Paris nur mit dem, was er auf dem Leib trug. Ein Foto der Zeitschrift Match zeigt ihn in der umgefärbten Uniform der anarchosyndikalistischen Milizen in Perpignan. Als deutscher Staatsbürger wurde er im Frühjahr 1940 bei Bordeaux interniert; das Lager wurde beim Herannahen der deutschen Truppen im Juni aufgelöst. Zutiefst verzweifelt irrte er durch Südfrankreich. Am 5. Juli 1940 beging er Selbstmord; seine Leiche wurde erst zwei Tage später gefunden.

Carl Einstein war ein scharfzüngiger Intellektueller, der sich für die Freiheit der Kunst und gegen Diktaturen wie die der Nationalsozialisten und das Regime Francos mit aller Kraft bis zur physischen und psychischen Erschöpfung einsetzte. 1984 wurde von Germanisten und Romanisten an der Universität Bayreuth die Carl-Einstein-Gesellschaft / Societe Carl Einstein gegründet: https://www.carleinstein.org/gesellschaft

Gedenktafel für Carl Einstein

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Anbringung der Gedenktafel für Carl Einstein an der Stelle, an der sein Geburtshaus stand.
Foto: Jörg Niebergall

Am Montag, dem 26.4.2021, wurde von Rolf Wüst vom Deutsch-Israelischen Freundeskreis und dem Schriftsteller Hermann Spix aus Neuwied im Beisein von Thorsten Fuchs, dem Leiter der Food Akademie, eine Gedenktafel an den in Neuwied fast vergessenen, aber bedeutenden jüdischen Romancier und Essayisten Carl Einstein angebracht.

Die Tafel wurde von Dr. Eva Weissweiler, Schriftstellerin aus Köln und ihrem Mann, dem Bildhauer Prof. Klaus Kammerichs gesponsert. Ein Brief von Dr. Weissmüller mit einem kurzen Einstein-Text wurde dabei verlesen. Die Initiatoren möchen mit dieser Tafel dazu beitragen, dass die historische Bedeutung Neuwieds über Sonntagsreden hinaus im Stadtbild sichtbar wird.

 


Quellen / Weiterführendes:

Klaus H. Kiefer / Liane Meffre, „Carl Einstein. Briefwechsel 1904-1940“ (J.B. Metzler) Stuttgart 2020

Jürgen Seim: „Carl Einstein - Vorläufige theologische Fußnoten zu einer intellektuellen Existenz“
(aus Evang. Theol. 45.Jg., Heft 2, S.158-172)

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