Erinnerung an Frida und Julius Levy aus Gladbach

 

Frau Anneliese Stockhausen, geb. Lahr, erinnert sich an ihre Nachbarn Frida und Julius Levy

„Unsere nächsten Nachbarn waren Levys. Wir Kinder sagten nur Onkel Levy und Tante Frida. In gewissen Zeiten gab es immer Matzen für uns Kinder. Bekamen wir ein Kalb, hat Herr Levy immer geholfen. Auch wenn der Vater im Feld war, hat Herr Levy den Stall überwacht. Sollten Hühner geschlachtet werden, hat Herr Levy das gemacht. In Köln hatten Levys Verwandte, die oft zu Besuch kamen, die Jett mit der Tochter Ruth.

1937 zu meiner Kommunion schenkten Levys, die natürlich zur Feier eingeladen waren, mir ein Silberkettchen mit Kreuz; das habe ich heute noch, und seit der Kristallnacht ist es mir heilig. Das gebe ich nicht her; das nehm ich mit ins Grab.

Die Kristallnacht war für uns Kinder – auch für mich – ich war ja schon 11 Jahre alt – ganz, ganz schlimm. Zu der Zeit wohnte schon Familie Platz, Max und Rosa (ich glaube, die war aus Bacharach) bei Levys. Wir hatten Turnen, und ich kam die Kirchstraße und Sandgasse herunter aus der Schule. In der Kirchstraße kam uns ein Auto entgegen. Vorne saßen zwei Mann in Uniform, und hinten saßen Max  und Julius. Sie kamen nach 2 oder 4 Tagen (genau weiß ich das nicht) wieder heim.

In der Sandgasse war es dann zu schrecklich für ein Kind. Alles lag auf der Straße – meist kaputt. Rote-Rüben-Brühe lief die Straße hinab; das sah aus wie Blut. Das sehe ich heute noch vor mir. Im Fenster – das war auch kaputt – hing an einem Besenstiel eine (von den Nazis?) beschmutzte Unterhose von Tante Frida. Das war so beschämend.

Etwas später waren alle vier Personen mal eine kurze Zeit in Sayn in der Anstalt, kamen aber (nach wie langer Zeit, weiß ich nicht) wieder zurück (ich glaube wegen Platzmangel). Sie hatten überhaupt nichts mehr, kamen auch nicht mehr zu uns rüber, weil es ihnen verboten war.

Die Mutter ließ uns Mädchen immer einiges hinter ihr Hoftürchen legen: eine Flasche Milch, ein paar Eier, etwas Gemüse und Kartoffeln. Dann kam einmal ein Mann, der sagte zu den Eltern: Gebt acht! Ihr werdet beobachtet! Sonst wird bei Euch auch entrümpelt. Auch als meine Eltern nach der Kristallnacht die vielen Scherben wegkehrten, wurden sie gewarnt und weggeschickt: Die Scheiße sollen die selber wegräumen.

Irgendwann 1942 waren alle vier Juden dann zusammen weg, und man hat nie mehr etwas von ihnen gehört.“

 

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