Die alte Synagoge Neuwied

Synagoge Neuwied
Synagoge und jüdische Volksschule
© Verlag Wwe. Gronemeyer, Neuwied (um 1930); Willi Gabrich, Kreismedienzentrum Neuwied
Der folgende Text wurde mit freundlicher Genehmigung entnommen aus: "Synagogen in Rheinland-Pfalz – Saarland, bearbeitet von Stefan Fischbach und Ingrid Westerhoff, Schriftleitung: Joachim Glatz und Meier Schwarz. – Hg.: Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz mit dem Staatlichen Konservatoramt des Saarlandes und dem Synagogue Memorial Jerusalem (Mainz 2005), S. 287 - 289"

 

Die Grafen, später die Fürsten zu Wied-Neuwied, betrieben seit der Gründung der Residenzstadt Neuwied im Jahre 1653 eine tolerante Politik gegenüber allen Glaubensvertriebenen, so dass sich auch eine große jüdische Gemeinde unter dem Schutz des Landesherrn entwickeln konnte. Die älteste Einwohnerliste von 1699 verzeichnet zehn jüdische Familien in der Stadt. 1734 waren 19 Familien ansässig. Ende des 18. Jahrhunderts lebten 35 jüdische Familien in Neuwied. Bis 1822 wuchs die Gemeinde auf 210, bis 1858 auf 400 Mitglieder an. Bis 1895 sank ihre Zahl auf 367, erreichte aber wenige Jahre später mit 410 Mitgliedern im Jahre 1910 ihren Höchststand, um bis 1925 wieder auf 339 Personen zu sinken. Um 1930 wohnten noch 300 Juden in Neuwied. Während der NS-Zeit verließen viele Familien mosaischen Glaubens die Stadt, dennoch zählte die jüdische Einwohnerschaft im Jahre 1939 wohl noch etwa 100 Personen [530]. 1942 wurden die letzten verbliebenen Juden deportiert - wenige Neuwieder Juden und Halbjuden überlebten die NS-Zeit in Verstecken.

Nach dem Krieg kehrten einzelne Überlebende in die Stadt zurück und unternahmen eine Neugründung der jüdischen Kultusgemeinde. 1950 wohnten sechs Juden in Neuwied, 1952 acht. Die neue Kultusgemeinde löste sich jedoch bald wieder auf, um sich der Kultusgemeinde in Koblenz anzuschließen.

Einen Friedhof unterhielt die Gemeinde spätestens seit dem 17. Jahrhundert (1629?) in dem heutigen Neuwieder Ortsteil Niederbieber. Rabbiner sind seit 1739 nachgewiesen. 1740 schlossen sich die Neuwieder und die benachbarten Heddesdorfer Juden zu einer Kultusgemeinde zusammen. 1864 wurde mit den Orten Irlich und Heddesdorf ein Synagogenbezirk gebildet, 1894 schlossen sich auch die Juden der Orte Fahr, Hüllenberg, Rodenbach sowie Rockenfeld der Neuwieder Gemeinde an, und 1905 Wollendorf. Seit 1818 unterhielt die große Gemeinde eine Schule. [531]

Synagoge Neuwied
Die Synagoge in Neuwied. Zeichnung um 1920

Im frühen 18. Jahrhundert diente eine Betstube in der Schloßstraße als Versammlungsraum. Um 1739 begann die Gemeinde, die mittlerweile 26 erwachsene Männer zählte, mit den Planungen zum Bau eines Bethauses. Nachdem der Graf der Gemeinde das Baugrundstück und Baumaterialien geschenkt sowie eine Kollekte bewilligt hatte, darüber hinaus eine Frau von Sybille ein kurzfristiges Darlehen gewährt hatte, konnte 1744 mit dem Bau begonnen werden. Am 13. August 1748 wurde die in der „Judengaß", dem unteren Ende der Engerser Straße, in unmittelbarer Nähe des Schlosses gelegene Synagoge und Schule eingeweiht.

Die Festrede wurde in einem Einblattdruck sowohl auf hebräisch als auch auf deutsch bekannt gemacht unter der Überschrift: ,,Unterthänigste und aufrichtigste Seufzer, Womit vor dem grossen Gott Des Hochgebohrnen Reichs-Grafen zu Wied Friedrich Alexanders, Und Hoch-Demselben Hoch-Gräfflichen Hauses Wohlfahrt auf das inbrünstigste verlanget Hoch-Demselben unterthängister Knecht Lazarus Salomon. Rabbiner in Neuwied" [532]. Nach einem Umbau des Bethauses wurde die Neueinweihung vom 23. bis 25. August 1844 festlich begangen. Ein weiterer Umbau erfolgte 1883. Die Umbauten dienten vor allem der Aufstockung der ursprünglich 42 Sitzplätze. Eine Frauenempore war 1845 eingebaut oder erneuert worden.

Nahezu zwei Jahrhunderte lang diente die Neuwieder Synagoge ihrem Zweck, bevor sie am Morgen des 10. November 1938 geplündert, die Einrichtung zertrümmert und die Marmortafel mit den Namen der im Ersten Weltkrieg gefallenen Gemeindemitglieder entfernt wurde. Als sie gesprengt werden sollte, wusste der Sprengmeister den Plan zu verhindern, indem er zu wenig Sprengstoff verwendete. Bald darauf aber wurde die Synagoge abgerissen. 1960 war an der ehemaligen jüdischen Volksschule eine Gedenktafel zur Erinnerung an Schule und Synagoge angebracht worden, die nach dem Abbruch des Schulhauses an die neue Halle des Geschäftshauses Berninger versetzt wurde.

Das Teilstück der Engerser Straße, an der diese beiden Gebäude standen, die ehemalige „Judengaß" also, wurde 1960 in Synagogengasse umbenannt.

Synagoge Neuwied
Toraschrein in der Synagoge in Neuwied. Kolorierte Zeichnung um 1920

Der eingeschossige traufständige Walmdachbau stand etwas von der Straße zurückversetzt auf einem kleinen umfriedeten Grundstück. Die Fassade war recht aufwändig gestaltet mit drei breiten hohen Rundbogenfenstern mit profiliertem Gewände, akzentuiert durch Kämpfer und Scheitelstein. Linkerhand führte ein von einem Sprenggiebel bekröntes Portal vermutlich in einen Vorraum.

Eine kolorierte Zeichnung überliefert eine Teilansicht des Innenraums. Die Männer fanden auf zwei nach Osten gerichteten Bankreihen Platz. Vor der Bima, flankiert von zwei fünfarmigen Leuchtern auf Postamenten, hing das Ewige Licht. Der zwischen zwei Fenstern stehende Toraschrein war als Ädikula gestaltet. Das Gebälk trug eine hebräische Inschrift, im Giebelfeld war eine aufgehende Sonne dargestellt. Oberhalb des Aron Hakodesch setzten die gemalten Gesetzestafeln auf dem graublauen Streifen an, der von der rotbraunen Wand zur blau gefassten Decke überleitete. Ein 1871 gestifteter Toravorhang aus der Neuwieder Synagoge befindet sich seit Mai 2001 in der Koblenzer Synagoge.

 

 

 

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