Gedenktafel für die ehemalige Synagoge in Oberbieber

Gedenkplatte für die ehemalige Synagoge Oberbieber
Gedenktafel für die ehemalige Synagoge in Oberbieber
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Auf Initiative von Hans-Peter Schladt und Frank Hachemer von der katholischen Kirchengemeinde Sankt Bonifatius wurde am 10.11.2020 am Haus in der Bergstraße 19, unterstützt von der evangelischen Kirchengemeinde Oberbieber, eine Gedenktafel angebracht, die an die ehemalige Synagoge erinnert, die an dieser Stelle gestanden hat.

Die detaillierte Inschrift enthält die von Zeitzeugen übernommene Beschreibung der Synagoge als bescheidener Bau, der sich zurückhaltend dem Stil der umliegenden Wohnhäuser anpasste.

Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch SA-Männer geschändet, verwüstet und anschließend angezündet. Aus Erinnerungen an diesen Tag wird beschrieben, wie einige der jüdischen Einwohner versuchten, sich vor den NS-Schlägern im nahegelegenen Wald zu verstecken. Vergebens- Sie wurden von den Verfolgern in ihre verwüsteten Häuser zurückgeschleppt.

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Auszug aus: Dorothea Elisabeth Deeters: "Sie lebten mit uns", Oberbieber 1983, S. 41 f.

„Am 10. November 1938 brach der lang gesäte und sorgfältig geschürte Haß eines Teiles der Bevölkerung auf Befehl offen aus.

In Neuwied hatten die Untaten bereits während der Nacht begonnen, und das Gerücht war vorausgeeilt. Am Morgen begann SA in Oberbieber mit der Verheerung und Plünderung jüdischer Häuser; es waren nicht nur Einheimische, sondern (dem Vernehmen nach) auch SA aus der Nachbarschaft (z. B. Straßenhaus) beteiligt. Hausrat, Bettzeug und Eier, die ganz neue Nähmaschine, das Klavier und die Druckereimaschinen wurden aus den Fenstern geworfen, je nachdem auf die Straße oder in den Aubach. Der Rektor gab unterrichtsfrei; die meisten Lehrer bestellten die Kinder an die Synagoge, »um zu sehen, wie sie angezündet wird«. Nur ein Lehrer verweigerte sich diesem Vorhaben: Herr Lampert ging mit seiner Klasse bis zum Nachmittag in den Wald.

Die Bürger wurden unter Strafandrohung vorgewarnt, sich nicht einzumischen. Der Bürgermeister eilte auf den Hof des Brandmeisters der Feuerwehr. »Die SA wird gleich die Synagoge anzünden; Du mußt ausrücken lassen!« – »Bei Brandstiftung muß ich sofort Anzeige erstatten.« – Entgegnung: »Die Gestapo steht auch schon da.« = So rückte die Feuerwehr erst aus, als die Flammen bereits hochschlugen und alle Nachbarhäuser in Gefahr brachten.

Das Gedächtnis des Dorfes hat die Szenen vor der brennenden Synagoge und »Afrums« Haus in vielen einzelnen Bildern bewahrt. Am tiefsten indie Erinnerung eingegraben haben sich die Augen der Gehetzten, wehrlos, unfähig zu verstehen, mit dringlicher stummer Frage: Du warst mein Freund! Warum hilfst du mir nicht? Diejenigen, die nicht mit der SA zündeten, mißhandelten, plünderten, schrien, Steine warfen und Menschen hetzten, lernten, was nackte Angst ist, und wie man hilflos schuldig wird, indem man sich in das nächstgelegene Eckchen zurückzieht.

Damals war der Hang des Wingertsberges neben dem Pfarrhaus mit Fichten bestanden. Einige Juden versuchten, sich dort zu verstecken; Erich Meyer holten sie mit Gewalt zurück. Dort stand auch Lina Tobias mit ihrem Kind im Umschlagtuch. Die Gehetzten flohen schließlich das Aubachtal hinauf. Oben im Tal versteckte Lina T. ihr Kind im Wald unter dem Herbstlaub, um es später heimlich zurückzuholen, denn die Verfolger kamen schon hinterher – mit Pferden. An die Pferde gebunden wurden die Flüchtigen zurückgehetzt, »heim« in ihre verwüsteten Häuser.

Nachmittag – ein Kindergartenkind, fünf Jahre alt, wird zusammen mit den anderen Kindern von der Leiterin des Kindergartens durchs Dorf geführt, von einem Judenhaus zum anderen; sie sehen die Betten im Bach und durchs Fenster die aufgerissenen Schränke und Schubladen, das zerschlagene Geschirr. Der kleine Junge träumt über Wochen und Woche den stets gleichen Albtraum: »Noch ein Jud!«, und dann fliegen die Betten . .

Am 10. oder 11. November sind die jüdischen Männer abgeführt worden. Philipp Levy, der am 10. 11. in Vallendar gewesen war und sich mit Frau und Kind auf de Dach des Salomonschen Hauses hinter dem Schornstein versteckt hatte, ist anscheinend der Festnahme entgangen. Genauere Aussagen zu Verhaftung, Transport und späterer Entlassung der Männer sind in Oberbieber nicht mehr zu bekommen. Jakob Levy soll damals im KZ Dachau umgekommen sein. Einer der Söhne muß die Leiche im versiegelten Sarg freigekauft haben. Solche Fälle von Freikauf sind belegt; das kostete 500 RM. Jakob Levy liegt in Niederbieber neben seiner Frau Betty begraben.“

 

Das gesamte Buch von Dorothea Elisabeth Deeters hier als PDF öffnen

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Die ehemalige Synagoge in Oberbieber

 

Der folgende Text wurde mit freundlicher Genehmigung entnommen aus: "Synagogen in Rheinland-Pfalz – Saarland, bearbeitet von Stefan Fischbach und Ingrid Westerhoff (Mainz 2005), S. 287 - 289"

1908 beschloss der Vorstand der Gemeinde, dieses Bethaus durch ein neues zu ersetzen. Den Bauplatz wollte der Fürst zu Wied stiften, 2700 Mark - das Vermögen des aufgelösten jüdischen Frauenvereins - sowie weitere 1000 Mark erwartete man durch den Verkauf der alten Synagoge. Die darüber hinausgehenden Baukosten sollten durch einen Kredit finanziert werden. Das Vorhaben konnte jedoch nicht verwirklicht werden, da die Rengsdorfer Gemeindemitglieder sich gegen den Neubau aussprachen. So wurde das Bethaus bis zur Reichspogromnacht weiterhin benutzt.

Am 10. November 1938 warfen SA-Männer die Fensterscheiben der Synagoge ein, verwüsteten das Gebäude und legten schließlich Feuer. Die Feuerwehr, bewusst spät ausgerückt, konzentrierte sich auf den Schutz der Nachbarhäuser. Wenige Tage später wurde die Ruine abgerissen. Als am 20. August 1940 der Verkauf des Grundstücks für 645 Reichsmark erfolgte, wurden der jüdischen Gemeinde die Kosten für den Abbruch in Rechnung gestellt.

Die ehemalige Synagoge Oberbieber
Die ehemalige Synagoge Oberbieber
Foto: Hans Muscheid, Neuwied-Oberbiebter
Die ehemalige Synagoge im Hintergrund
Die ehemalige Synagoge im Hintergrund
Foto: Hans Muscheid, Neuwied-Oberbiebter

Die Synagoge, möglicherweise ein umgebautes Wohnhaus, ist nur durch die Erinnerungen von Zeitzeugen überliefert als „bescheidener Bau, ein Haus, wie man hier seit Jahrhunderten Wohnhäuser errichtet hat: Fachwerk, niedrig, mit kleinen Fenstern aus einfachem Fensterglas und massiven Eichenbalken im Dachstuhl[ ... ] Der Eingang war an die rückwärtige, der Straße abgewandte Seite verlegt worden. Mit einer Schmalseite berührte sie das nächste Wohnhaus, die andere Schmalseite wies ungefähr nach Süden[ ... ]. Im Inneren waren weißgestrichene Bänke aufgestellt“.


bei Fischbach/Westerhoff angegebene Quellen:
Deeters, Dorothea Elisabeth: Sie lebten mit uns. Zur Geschichte der Wied­Neuwiedischen Landjuden, für die Zeit 1817-1942 dargestellt am Dorf und Synagogenbezirk Oberbieber, Neuwied-Oberbieber 1983.

Dietz, Wolfgang: Der Landkreis Neuwied. Weimarer Republik Nationalsozialismus Nach­kriegszeit, Neuwied 2. Aufl. 1996: 414, 420f. - Knopp 1975.

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Gedenktafel an der evangelischen Kirche Oberbieber

 

Ich bin der Herr, Dein Gott
Der Heilige Israels Dein Heiland (Jesaja 43,4)


Im Stadtteil Oberbieber erinnert eine Gedenktafel rechts vom Haupteingang der evangelischen Kirche an die ehemaligen Mitglieder der jüdischen Gemeinde Oberbieber, die zwischen 1938 und 1942 von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet wurden.

Mit der einleitenden Inschrift aus dem Buch Jesaja setzt die evangelische Kirche zugleich auch ein Zeichen der theologischen Verbundenheit zwischen Synagoge und Kirche.

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